Neuanfangseffekt (fresh start effect)

Was ist der Neuanfangseffekt?

Ist-Zustand-Verzerrung (status quo bias) beschreibt ein Verhalten, wonach Menschen den aktuellen Zustand gegenüber einer Veränderung bevorzugen. Diese Ist-Zustand-Verzerrung kann entweder aus Untätigkeit bestehen, um keinerlei Veränderung anzustoßen, oder einer Festlegung auf früher getroffene Entscheidungen, die nicht mehr verändert werden. Diese Art der Verzerrung kommt im Alltag häufig vor.

Beispiele für den Neuanfangseffekt

Ein häufiges Beispiel für diesen Neuanfangseffekt ist in der Planung von Lebensabschnitten vorzufinden, dass Menschen ganz gezielt zum Beginn eines neuen Kalenderjahres neue Aktivitäten beginnen. Beispielsweise möchten sie zum Januar anfangen, ein Fitnessstudio aufzusuchen oder einen neuen Job zu suchen.

Ein anderes Beispiel im Alltag vieler Menschen zeigt, dass sie besonders gerne zum nächsten Montag, dem Wochenstart der nächsten Woche, eine Diät beginnen möchten. Sie könnten unmittelbar sofort im Moment der Entscheidung ihre Aktivitäten so umplanen, dass sie jetzt mit der Diät anfangen, jedoch zeigt sich wiederholt, dass gezielt ein neuer Kalenderabschnitt herangezogen wird, um einen Neuanfang zu symbolisieren.

Erklärung und Hintergründe des Neuanfangseffekts

Der Neuanfangseffekt ist im Gesamtbild mit menschlichem Entscheidungsverhalten, den Gefühlen bei den Entscheidungen und der Zielsetzung zu sehen. Hinter dem Neuanfangseffekt steht ein Konzept, das man als mentale Kapitel (mental accounting) beschreiben kann. Menschen teilen ihr Leben in Kapitel, also Abschnitte mit einem „davor“ und einem „danach“, ein. Wie in einem Buch, versuchen Menschen, durch das Umblättern auf eine neue Seite hinein in ein neues Kapitel ihres Lebens, das alte Kapitel zu verlassen. Das hat eine direkte Verbindung mit der Art, wie Gefühle unsere Entscheidungen beeinflussen und vor allem antizipierte Gefühle, also wie man sich vorstellt, dass man sich in einer zukünftigen Situation fühlen würde.

Diese neuen Kapitel im Leben beginnen gerne zu einem bestimmten Zeitpunkt, sei es das neue Kalenderjahr oder das ganz persönliche nächste Lebensjahr nach einem Geburtstag. Diese markanten Zeitenwenden bieten eine vereinfachte kognitive Verbindung zu einem neuen Lebenskapitel, aber auch gegenüber anderen Menschen eine sehr einfache Erklärungsvariante. Beispielsweise gegenüber der Führungskraft im Job: „Weil ich in sechs Monaten 40 Jahre alt werde, möchte ich ein Sabbatical für eine Weltreise“. Oder als Beispiel in der Familie: „Weil jetzt das neue Jahr beginnt, möchte ich Geld von unseren Ersparnissen für ein neues Fahrrad ausgeben“.

 

Diese mentalen Kapitel für den Neuanfangseffekt bieten eine großartige Gelegenheit, vergangenes Verhalten, das nicht so gut war, hinter sich zu lassen. Das Schlechte bleibt sozusagen in einem Kapitel der Vergangenheit. Viele bekannte Bücher oder Filme verwenden so eine Metapher in ihrer Geschichte. Das neue Kapitel ist eine Motivation für ein besseres Verhalten, eine bessere Zukunft und positive Gefühle.

Leseliste:

  • Dai, H., Milkman, K. L. & Riis, J. (2014). The fresh start effect: temporal landmarks motivate aspirational behavior. Management Science, 60(10), 2563–2582.

  • Dai, H. & Li, C. (2018). How experiencing and anticipating temporal landmarks influence motivation. Current Opinion in Psychology, 26, 44–48.

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